Neulich hatte ich ein sehr interessantes Gespräch
mit einer Zuschauerin, die schon viele Zauberauftritte von mir erlebt hat.
Früher, so erzählte ich ihr, war ich immer wieder mit der
Ausarbeitung neuer Routinen beschäftigt, die ich dann – falls sie mir
geeignet erschienen – irgendwo in der Mitte des Programms ausprobierte. Viele
davon zeigte ich nur wenige Male, einige aber fanden ihren Platz in meinem Standard-Repertoire
(zu meiner besten Zeit weit über hundert Nummern).
Heute, so meinte ich, sei eher das Gegenteil der
Fall: Da ich inzwischen weniger Vorstellungen gebe (von den Musik-Moderationen
einmal abgesehen), kämpfte ich darum, die Abfolgen und Texte von Kunststücken
nicht zu vergessen, die ich vor zwanzig und mehr Jahren im Schlaf
beherrschte. Gerade, wenn ich solo zaubere, verfolgt mich ständig die Sorge,
ich könnte plötzlich „aus dem Text fliegen“ oder bei der Abfolge in die Irre
geraten. Von vielen Routinen habe ich keine komplette Beschreibung – das meiste
ist lediglich in meinem Gedächtnis gespeichert.
Na gut, von einigen Dutzend Effekten gibt es inzwischen YouTube-Videos,
die ich mir zur Vorbereitung nochmal anschauen kann:
https://www.youtube.com/channel/UCNQxzjgEVdis00XYsrU0sWg
Zur Zuschauerin sagte ich: „Manchmal wird das ganz schön
aufregend, weil ich beim Reden nachdenken muss, wie es weitergeht“. Zu meinem
Erstaunen war ihre Antwort: „Gerade das finde ich inzwischen
überzeugender. Früher warst du öfters zu schnell“.
Da ist sicher etwas dran: Es gab Jahre, wo ich über fünfzig
Auftritte absolvierte – häufig verwendete Routinen zeigte ich jährlich über
dreißig Mal. Manche davon hingen mir nach der langen Zeit regelrecht „zum
Hals raus“. Also versuchte ich, sie so schnell wie möglich hinter
mich zu bringen. Auch von Karin, die mir meist assistierte, hörte ich
gelegentlich: „Lass dir mehr Zeit“.
So entstehen manchmal aus der Not heraus Verbesserungen!
Ich glaube, die Langsamkeit hat mehrere Vorteile:
Der Vortrag zu einer Zaubernummer sollte ja so klingen, als
fielen einem die Worte ganz spontan ein. Diese Wirkung verschenkt man,
wenn man den Text perfekt herunterschnurrt. Er ist dann nicht nur auswendig
gelernt – er klingt auch so.
Zudem prasselt auf die Zuschauer eine ganze Menge von Informationen
und Eindrücken herein. Man muss ihnen Zeit lassen, das Gesehene und Gehörte
zu verarbeiten. Pausen sind dazu besonders wichtig – und bilden eine
Gelegenheit, zwischendurch mal zu lachen oder zu applaudieren.
Hetzt man durch eine Nummer, so setzt man nicht nur das
Publikum unter Druck, sondern auch sich selber. Man wirkt angespannt. Lässt
man sich jedoch Zeit, strahlt man Lässigkeit und Souveränität aus
und bringt Ruhe in den Ablauf. Wenn einen keiner jagt, sollte man auch nicht
rennen!
Ich glaube, es spielt ebenso die chronische Angst des Magiers
vor der Offenlegung der Geheimnisse eine Rolle. Damit die Zuseher nicht
merken, wie es geht, arbeitet man sich mit einem Höllentempo durch die Routinen.
Mir hat dabei im Lauf der Jahre ein Gedanke
geholfen: Kein Zauberkünstler, der noch alle Tassen im Schrank hat, macht dem
Publikum heute noch weis, er sei mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattet. Klar sollte
die Vorführung handwerklich so gut sein, dass man die Leute nicht mit der Nase
auf die Erklärung stößt. Aber in unserer Zeit ist die Zauberei lediglich ein amüsantes
Spiel. Ich vermittle Fantasien, Geschichten und Ideen, die ich
magisch illustriere. Mehr nicht!
Sicherlich gibt es Momente, in denen man Tempo und auch
Lautstärke erhöhen muss – aber als bewussten Akzent, nicht als
Dauerlösung! Und solche Modulationen wirken stärker, wenn man sie nur gezielt
einsetzt.
Hier ergibt sich eine Parallele zu meiner anderen
Leidenschaft, dem Tanzen: Auch dabei (und vor allem beim Tango) darf man
sich nicht im monotonen Stakkato durch ein Musikstück arbeiten. Verzögerungen
und Pausen sind oft viel wichtiger. Und man wirkt umso schneller, je langsamer
man vorher war – und umgekehrt.
Vielleicht ist es ja ein Vorzug des Alters, dass man mehr
Zeit zum Luftholen und Nachdenken braucht – und so den Zauber der Langsamkeit entdeckt!